2018: Geflüchtete Frauen zwischen Aufbruch, Hoffnung und Gewalt - Wie kann Sozialarbeit optimal unterstützen?

2018: Geflüchtete Frauen zwischen Aufbruch, Hoffnung und Gewalt - Wie kann Sozialarbeit optimal unterstützen?

Fachtag für Mitarbeiter*innen von Sozialeinrichtungen, Wohlfahrtsverbänden und Ehrenamt, initiiert vom Runden Tisch gegen häusliche Gewalt und der Gleichstellungsstelle in Kooperation mit dem Sozialamt Mülheim an der Ruhr.

Die Veranstaltung Geflüchtete Frauen zwischen Aufbruch, Hoffnung und Gewalt - Wie kann Sozialarbeit optimal unterstützen erhielt große Zuspruch von den Menschen aus Sozialarbeit und Ehrenamt. Von links: Sabine Boeger (Diakonie / Runder Tisch gegen häusliche Gewalt), Helene Batemona-Abeke (Referentin Medica Mondiale), Cäcilia Tiemann (Gleichstellungsstelle), Antje Buck (Gleichstellungsstelle), Thomas Konietzka (Sozialamt) - Kerstin Bögeholz

Am Donnerstag, 11. Oktober 2018, drehte sich beim Fachtag in der Evangelischen Familienbildungsstätte alles um geflüchtete Frauen in Mülheim, ihre Lebensrealitäten in den Ursprungsländern und in ihrer neuen Heimat. Nach einem Grußwort der Bürgermeisterin Margarete Wietelmann ging es rasch um Fragen und Probleme zugewanderter Frauen, die in ihrer Heimat, auf der Flucht oder sogar in Deutschland Gewalt erlebt haben und noch erleben. Sie sind möglicherweise traumatisiert und möchten trotzdem in Deutschland und in Mülheim an der Ruhr so schnell wie möglich Fuß fassen und sich integrieren.
Aber allein schon der Weg durch die Ämter und Behörden ist für die meisten Menschen, die bislang mit Papierkram und Verwaltung nichts oder wenig zu tun hatten, eine erste riesige Hürde, wie Helene Batemona-Abeke von Medica Mondiale in ihrem Impuls-Vortrag „Lebensrealitäten geflüchteter Frauen und praktische Ansätze für ihre Unterstützung“, anschaulich berichtete.

Helene Batemona-Abeke, Referentin von Medica Mondiale, referiert über Lebensrealitäten geflüchteter Frauen und praktische Ansätze für ihre Unterstützung - Kerstin Bögeholz

Die Frauen, vor allem aus afrikanischen Herkunftsländern, verpflichten sich oft, das Geld für ihre Flucht schnell zurückzuzahlen und haben sich damit in vielfältige Abhängigkeiten begeben, denen sie auch im vermeintlich sicheren Deutschland kaum entkommen können. Schlepper*innen und Drohungen aus der Heimat sorgen für einen enormen Druck, das Geld zu erstatten. Nicht selten bleibt als Ausweg nur die Prostitution. Diese oder ähnliche Probleme können die zugewanderten Frauen ihren deutschen Ansprechpersonen nicht oder nur schwer vermitteln. Die rund 50 Teilnehmenden erfuhren viel Neues und die angeregte Diskussion im Anschluss zeigte ein großes Interesse an weiterer Information.

Nach einer Mittagspause, in der ein lebhafter Austausch stattfand und sich einige Mitglieder des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt präsentierten, referierte die Geschäftsführerin der Akademie der autonomen Frauenberatungsstellen, Martina Schmitz, über „Professionelle Gesprächsführung bei häuslicher Gewalt“ - ebenfalls mit dem Fokus auf Geflüchtete. Wie erkennt man Anzeichen von Gewalterfahrung, wie kann man darauf reagieren und den Menschen helfen? Die Antworten auf diese Fragestellungen waren Kernpunkte des hilfreichen und anschaulichen Vortrages.

Schließlich referierte Mira Ragunathan von der Landeskoordinierungsstelle Frauen und Flucht über Best-Practice Beispiele und berichtete zum Beispiel aus Bielefeld, dass dort Frauen mit Migrationsgeschichte als Integrationshelferinnen angestellt sind und auf diesem Wege nicht nur andere Frauen unterstützen, sondern gleichzeitig auch einen großen Schritt in Richtung ihres eigenen beruflichen Fortkommens machen.

Hier steht die Dokumentation des Fachtages zum Download bereit.

Für viele Mitarbeitende sozialer Einrichtungen und Menschen aus dem Ehrenamt war der Tag eine Bereicherung im Verständnis für geflüchtete Frauen und die notwendige interkulturelle Kommunikation. Aber auch der Austausch mit den Kolleg*innen bot Anregungen für die tägliche Arbeit und den Umgang mit geflüchteten Frauen und natürlich auch Männern. Gleichstellungsbeauftragte Antje Buck moderierte fachkundig die lebhafte Diskussion.

In einem Pressegespräch konnten die Beteiligten ihr Anliegen deutlich machen. Hier die Berichte der WAZ und der Mülheimer Woche.

Bürgermeisterin Margarete Wietelmann, Thomas Konietzka, Leiter des Sozialamtes, und Helene Batemona-Abeke, Referentin von Medica Mondiale, im Gespräch. - Kerstin Bögeholz

Ausgangslage:

Geflüchtete Frauen und ihre besonderen Lebenssituationen standen im Fokus dieses Fachtages. Zahlenmäßig stellen die Frauen eine kleinere Gruppe als die geflüchteten Männer dar, aber sie bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit. Ihre soziale Position ist durch Unterdrückung und Ungleichheit geprägt und somit, auch in Deutschland, schwieriger als die der Männer.
Viele Frauen haben in den Herkunftsländern bereits Bedrohung, Unterdrückung und Gewalt erfahren und sind auf dem Weg nach Europa durch sexuelle Gewalt oder unmenschliche Fluchtumstände (re-)traumatisiert worden. Nicht selten haben sie, aus freiem Entschluss oder unter Zwang, Ehen geschlossen, um während ihrer langen und gefährlichen Flucht nicht unbegleitet und somit als „Freiwild“ durch Vergewaltigung und anderes Leid bedroht zu sein.
In Deutschland erfahren sie nun, dass Frauen die gleichen Rechte besitzen wie Männer. Einige erleben aber auch hier häusliche Gewalt und Unterdrückung, möchten sich von ihren Männern trennen oder einfach nur ein selbstbestimmtes Leben führen. So ist das Einleben in die deutsche Gesellschaft für viele geflüchtete Frauen eine Herausforderung und birgt große Unsicherheiten.

Mitarbeitende sozialer Einrichtungen, der Wohlfahrtsverbände und des Ehrenamtes können nicht immer wissen, warum ihr Gegenüber im Beratungsgespräch zurückhaltend, mit Unsicherheit oder Unverständnis reagiert. Kommunikationsprobleme sind oft nicht nur sprachlicher - sondern auch kultureller und eben auch geschlechtsspezifischer Natur. Ungerechtigkeit und Unterdrückung in männerdominierten und autokratischen Gesellschaften haben ein tiefsitzendes Misstrauen gegen Behörden geschaffen. Psychische und physische Unterdrückung, sexualisierte Gewalt und schwere Körperverletzungen (wie zum Beispiel durch weibliche Genitalverstümmlung) machen Frauen besonders unsicher und empfindlich. Dies gilt es bei Beratungen zu berücksichtigen, um Frauen besser dabei unterstützen zu können, einen selbständigen und selbstbewussten Lebensweg in unserer Gesellschaft zu beschreiten und ihre Rechte, auch gegen Widerstände, durchsetzen zu lernen. Darüber hinaus bietet der Fachtag Anregungen für eine kultursensible Beratung, denn eine gute Integration der Frauen ist zudem eine wichtige Basis für die gelungene Integration ihrer Kinder.

Die Veranstaltung wurde gefördert durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, MHKBG NRW.

Logo, Foerderlogo Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen - Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen

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Stand: 09.10.2023

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